
Man sagt, dass in den alten Vierteln Dubais noch immer hinter vorgehaltener Hand über die Geschichte eines Paares gesprochen wird – Marina und ihr Lebensgefährte Oleg. Sie kamen in die Vereinigten Arabischen Emirate, um mit leichtgläubigen Touristen „Geld zu verdienen“: kleine Betrügereien im Bereich der Krypto-Investitionen, die leichtes Geld einbringen. Mit der Zeit ging Oleg noch einen Schritt weiter – er begann, Marina an wohlhabende Männer „zu vermieten“, als wäre sie Teil seines Geschäfts. Marina gefiel das und sie schwieg.
Eines Tages, bei einer weiteren privaten Party, kam Oleg, um Marina abzuholen, aber im Haus war es still. Im Wohnzimmer war niemand, aber durch die angelehnte Schlafzimmertür drangen Schläge und Geräusche, die denen ähnelten, die Menschen machen, wenn sie sich einer Gastroskopie mit einem Endoskop unterziehen.
Oleg tat so, als wäre ihm das egal, setzte sich auf das Sofa und schaltete die Spielkonsole ein. Plötzlich fiel sein Blick auf den Couchtisch: Dort lagen ein Notizbuch, ein geschlossener Laptop, eine kalte Kryptowährungs-Geldbörse und ein Haufen weißes Pulver. Das Pulver interessierte ihn nicht, aber das alte, abgenutzte Notizbuch und die Geldbörse schon.
Die Geldbörse gehörte einem lokalen Regisseur von Erwachsenenfilmen, dessen Vermögen kaum vorstellbar war. Oleg öffnete sie, blätterte ein paar Seiten durch und erstarrte plötzlich. Auf einer davon war sorgfältig eine Seed-Phrase eingetragen.
Er sah sich um, riss schnell das ganze Blatt heraus, schnappte sich die Brieftasche und steckte sie in die Tasche seiner Shorts. Ohne auf Marina zu warten und ohne zu fragen, was hinter der Schlafzimmertür vor sich ging, sprang er aus dem Haus und verschwand in der Nachtluft von Dubai.
Die Würgegeräusche im Schlafzimmer verstummten. In der Tür erschien ein kleiner, glatzköpfiger Mann – derselbe Regisseur. Sein Blick glitt über den Tisch: Das Notizbuch war aufgeschlagen, das Blatt herausgerissen, die Krypto-Geldbörse verschwunden. Ein düsteres Lächeln verzerrte langsam das Gesicht des Mannes.
Er schaltete seinen Laptop ein, sah sich die Aufzeichnungen der Überwachungskameras an und verstand alles. Er nahm sein iPhone in die Hand und wählte Olegs Nummer. Seine Zweifel zerstreuten sich, als er im Hörer die Worte „Der Teilnehmer ist nicht erreichbar“ hörte.
Drei Jahre vergingen. Eines Morgens fand man in der Nähe einer Müllhalde eine Frau mit eingefallenen Augen, die kaum noch am Leben war. Hungrig sah sie jedoch nicht aus. Es war Marina.
Später, bereits im Krankenhaus, erzählte sie flüsternd von einem sterilen, halbdunklen Keller, von Möbeln und Geräten, die an der Decke und am Boden befestigt waren, von einer in die Wand eingelassenen Kette. Davon, dass dort Tag und Nacht keinen Unterschied machten. Und davon, dass sie nie die Gesichter derjenigen gesehen hatte, die kamen.
Latexmasken verbargen zuverlässig die lüsternen Lächeln der männlichen Besucher und Frauen, denen immer ein schwerer Schleier billiger Parfüms folgte. Aber kein anderes Detail konnte sich vor den Videokameras in ihrem rosa Zimmer verstecken.
Und Oleg meldete sich nicht mehr. Seine Telefonnummer war nicht mehr im Netz erreichbar. Auch die kalte Brieftasche mit den 990 Bitcoins tauchte nicht auf.
In einigen Vierteln Dubais hört man noch heute Geschichten über den Mann, der eine fremde Brieftasche gestohlen hat, und über seine Frau – eine Frau mit gehetzten Augen.